5.
Glöckelberg- ein Grenzort in der Tschechoslowakei,1918–1938

Zwischen Besetzungen –  einer neuen Ordnung – und Radikalisierung

Am Anfang dieser Zeitspanne steht eine militärische „Besetzung“, sie steht aber auch für das Jahr 1938. Diese Wortwahl haben interessanter Weise der Chronist des Pfarr-Gedenkbuches, der Domherr DDr. Eßl gebraucht, wie auch der Chronist des Gemeinde – Gedenkbuches, der selbst die „Besetzung“ 1938 mit großer Hoffnung als „Befreiung“ begrüßt hat. Es mag sein, dass diese übereinstimmende Bezeichnung für die Jahre 1918 und 1938 ein Zufall ist, sie gibt aber unbeabsichtigt die unterschiedlichen, vielleicht sogar gegensätzlichen Stimmungen und Einstellungen der Bevölkerung wieder.
Der Oberlehrer Heinrich Pascher, der das Gedenkbuch der Gemeinde bis etwa 1930 führte, beschreibt seine Einschätzung der Lage im Jahre 1918 – rückblickend – sehr deutlich. „Rückblickend“, da die Führung solcher „Gemeinde – Gedenkbücher erst durch ein Gesetz aus dem Jahre 1920 in der Tschechischen Republik ab Ende 1922 angeordnet wurde, die Gemeinde Glöckelberg aber erst im Dezember 1927 das Buch angelegt und den Chronisten bestimmt hat. Pascher hat neben der laufenden Chronik rückblickend auch Schwerpunkte der Geschichte Glöckelbergs , wie „Entstehung des Ortes“, „Von der Schule“, zusammengefasst. Zum Jahr 1918 schreibt er :
„Die verschiedensten Requirierungskommissionen auch mit militärischer Bedeckung mussten ihre nicht immer beneidenswerte Arbeit fortsetzen, die Mehlausweise in den Mühlen streng überwachen, versteckte Vorräte wurden gesucht. Tauschgeschäfte aller Art wurden betrieben, Schleichhandel, Wucher und Hamsterei, trotz aller Strafdrohung, blühten. Die 7. und 8. Kriegsanleihe wurde aufgelegt, im Sommer 1918 kamen zu den verschiedensten Karten noch die Salz- und Tabakkarten, doch nicht immer bekam man auf die betreffende Karte auch die auf ihr enthaltene geringe Menge der betroffenen Ware.
Endlich kam die Zeit, wo dem furchtbaren Ringen die allgemeine Notlage auf allen Gebieten Einhalt gebot und die Mittelmächte den angebotenen Frieden annehmen mußten. Der Mangel an Lebens- und Bedarfsartikeln für Zivil und Militär, politische Sonderbestrebungen der einzelnen Völker Österreichs und Parteienkämpfe im Inneren Deutschlands ließen ein weiteres Kriegsführen nicht zu. Nach und nach kamen die Eingerückten als Heimatlose in die Heimat zurück. Die neuen staatlichen Veränderungen wurden ruhig aufgenommen, denn alle waren froh, den Krieg beendet zu wissen und hofften, daß bessere Ernährungsverhältnisse die Hungersnot aufheben werden.
Durch die wiederholten Musterungen der einzelnen Geburtsjahrgänge kam es, daß die Mehrzahl der männlichen Bewohner ihrer Kriegsdienstpflicht nachgekommen sind. Nur die sogenannten „Enthobenen“, und die, die zum Soldatendienst jeder Art ganz ungeeigneten, waren zu Hause.
Die Aufzählung aller Eingerückten würde daher viel Raum einnehmen. Doch diejenigen Namen, deren Träger auf den verschiedensten Kriegsschauplätzen, fern von der Waldheimat ihr Leben lassen mußten, oder sich dort die Todeskrankheit holten, die sollen nicht nur am Kriegerdenkmal stehen, sondern auch im Gedenkbuch für spätere Zeiten zu lesen sein.“
Es waren 54. (Ende des Zitates aus dem Gemeinde-Gedenkbuch, verfasst vom Oberlehrer Heinricht Pascher).
Die Beurteilung der Lage in Glöckelberg nach dem Zusammenbruch der Monarchie ist nicht einheitlich, wie es auch schon aus dem Glöckelberger Heimatbuch („Glöckelberg – Geschichte einer Böhmerwaldgemeinde, S. 216, 390, 394) zu ersehen ist. Während der Chronist des Gemeinde-Gedenkbuches von einer „ruhigen Aufnahme“ der staatlichen Veränderungen spricht, wird im Heimatbuch von Terror gegen die Bevölkerung berichtet, aber auch, dass die tschechischen Soldaten gegen die Bevölkerung keine feindliche Haltung eingenommen hätten. Eine differenzierte Betrachtung ist vor allem für die Beurteilung  der  kommenden Ereignisse von Bedeutung, aber auch für das Argument der tschechischen Seite bei den Friedensverhandlungen in Paris, dass die Deutschen zu 99% für die Vereinigung ihres Landes mit Böhmen seien und sie hätten 1918/19 ihr Selbstbestimmungsrecht gar nicht geltend gemacht. Der jeweilige Standpunkt bestimmt die Geschichtsschreibung. Aus dem Pfarr-Gedenkbuch können einige Ereignisse zusammenfassend erwähnt werden, die vielleicht eine differenzierte Betrachtung ermöglichen. Pfarrer Essl, der die Eintragungen verfasste, beschreibt das Geschehen bis 1936 zwar vorsichtig und zurückhaltend, aber gerade dadurch gewinnen sie an (historischem) Gewicht. 

 5.1   Die Grenze
 5.2   Die Gemeindepolitik
 5.3   Wirtschaft zwischen Not, Hoffnung und Krisen Glasfabrik Josefsthal
 5.4   Die Schule
 5.5   Die Kirche
 5.6   Wetter – Unwetter – Brände
 5.7   Begebenheiten – Ereignisse

 

     Dr. Othmar Hanke